Hochsensibilität ist plötzlich überall Thema. Die Artikel häufen sich und immer mehr Menschen melden sich zu Wort. Entweder wussten sie schon lang, dass auch sie sehr sensibel sind oder bekommen jetzt endlich die Antwort darauf, was mit ihnen “nicht zu stimmen scheint.” Doch was steckt hinter dem Wort Hochsensibel? Darum geht es in diesen Beitrag.
“Ach so ein Quatsch.”
“Das redest du dir nur ein.”
“Übertreib nicht so.”
“Ach komm…”
“So ein Blödsinn.”
“Na so schlimm ist es nun auch wieder nicht.”
Wenn ich sage, das Schreien unserer Kleinen fühlte sich an wie wenn man sich mit Schmackes die kleine Zehe an der Bettkante stößt, dann ist der Vergleich noch untertrieben. Wenn dich deine große Liebe verlässt, es dir plötzlich den Boden unter den Füßen wegreist und du für einen Moment weder denken noch fühlen kannst und wie in Trance bist-dann weist du wie sich ein Schrei dieses kleinen Menschen für mich angefühlt hat.
Und auch wenn es genug Menschen gibt, die diesen Schmerz nicht nachvollziehen können, so wünsche ich mir wenigstens Akzeptanz.
Was bedeutet Hochsensibel?
Kurz gesagt beschreibt der Ausdruck Hochsensibel, Menschen, die über eine sehr sensible Wahrnehmung und Feinfühligkeit der Sinne verfügen. Die Ausprägungen sind dabei ganz unterschiedlich. Nicht jeder ist also gleich sensibel. Der eine mehr, der andere weniger.
Bei dem Wort “Empfindlich” geht es allerdings nicht nur um Gefühle, sondern auch um das Nervensystem. Hochsensible Menschen werden mit einem leistungsstarken Nervensystem geboren. Dadurch können mehr Sinne aufgenommen und tiefer verarbeitet werden. Sehenswürdigkeiten, Gerüche und Strukturen bis hin zu Ideen, Beziehungen und vieles mehr wird sehr viel tiefer und vor allem mehr wahrgenommen.
Klingt anstrengend? Das ist es auch. Manchmal mehr, manchmal weniger. Oft muss man lernen sich auch mal abzulenken oder seine Gedanken los zu werden bevor der Kopf überläuft. Ich mache das gern in Form von sogenannten „Morgenseiten“, allerdings schreibe ich mir Dinge von der Seele, wenn ich Zeit dazu finde und es mich überkommt. Oder ich spreche mit meiner Freundin darüber, die mein Denken nachvollziehen kann, da sie ebenfalls hochsensibel ist.
Einfach raus zu gehen kann für empfindliche Menschen ein Alptraum sein
Neben den vielen anderen Menschen und die Verarbeitung der Gesichtsausdrücke dieser Personen, prasseln noch viele andere Dinge auf einen hochsensiblen Menschen ein. Jede Bewegung, Gerüche und Klänge werden ungefiltert aufgesaugt. Fehlt nur noch, dass wir die Gedanken anderer Menschen hören könnten und das Chaos wäre perfekt.
Das bedeutet, das Betreten eines öffentlichen Raumes ist für Hochsensible ein Angriff auf die Sinne. Ebenso überfüllte Orte.
In solchen Fällen heißt es, fokussieren und ausblenden. Eine sehr schwere, aber wichtige Funktion. Und nicht den „Scheißegalfilter“ vergessen.
Rückzug
Sich zurückziehen zu können ist für hochsensible Menschen überlebenswichtig. Deshalb war für mich der Job als Floristin wahrscheinlich auch der Falsche. Immer präsent und immer vor den Augen des Kunden, das war sehr anstrengend und stressig. Allerdings wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, warum ich das Bedürfnis hatte mich am liebsten hinter einem riesigen Pflanzkübel zu verstecken.
In Zeiten von Großraumbüros fehlen ebenfalls oft die Rückzugsmöglichkeiten. Was für andere ein angenehm ruhiges Arbeitsumfeld ist, ist für Hochsensible einfach nur anstrengend und nervig. Hinzu kommt oft noch das Gefühl die ganze Zeit beobachtet zu werden. Alles keine guten Vorrausetzungen, besonders bei einem kreativen Job im Content Marketing.
Kritik ist wichtig, aber tut weh
Niemand mag es, kritisiert zu werden, egal ob hochsensibel oder nicht. Allerdings sind Hochsensible sehr einfühlsam und auf die Emotionen anderer eingestellt, sie versuchen ständig andere Menschen nicht zu verärgern und sie bemühen sich sehr, alle glücklich zu machen. Somit werden kritische Worte oft sehr persönlich genommen und lösen eine emotionalere Reaktion aus. Die Verarbeitung der Informationen dauert länger.
Ich brauche dafür immer „die Nacht zum drüber schlafen“. Und auch gern mal eine andere Perspektive zum Thema, weshalb ich mich dann gern mit anderen Menschen austausche.
Liebe und Zuneigung sind besonders wichtig
Hochsensible Menschen sind oft sehr unsicher, daher ist Anerkennung ein wichtiges Nahrungsmittel. Zwischendrin wird immer wieder eine Dosis Liebe und Zuneigung gebraucht. Ich fand den Spruch immer sehr passen: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdient habe.“ Denn genau dann, wenn im Kopf mal wieder alles zu viel wird und ich in den Augen anderer sauer, zickig oder einfach schlecht drauf bin und sie eher Abstand nehmen wollen, brauche ich genau das Gegenteil. Verständnis, Akzeptanz und Liebe.
Veränderungen brauchen Zeit
Das Gehirn empfindlicher Menschen verarbeitet Informationen viel tiefer als das anderer. Daher kann eine zu starke und plötzliche Veränderung sehr überfordern.
Deshalb ist das mit der Spontanität so eine Sache. Von einer auf die nächste Sekunde löst eher einen gewaltigen Error aus, als das es Spaß macht spontan zu sein. Deshalb habe und brauche ich immer eine gewisse Routine. Das gibt mir Sicherheit. Das bedeutet, spontan zu sein ist möglich, aber ich brauche immer einen Moment bedenk, bzw. Verarbeitungszeit.
Leider ist die Welt für Menschen gemacht, die Empfindungen ignorieren können. Sie ist für Menschen gemacht, die gedankenlos Worte abwehren können. In dieser Welt muss man schreien und angeschrien werden können. Und tatsächlich ist das für die meisten Menschen keine große Sache.